Ob in fernen Ländern oder in heimischen Straßen: Menschen sind für viele Fotografen mindestens genauso spannende Motive wie Gegenstände, Landschaften oder Gebäude. Aber darf man Personen einfach fotografieren? Und dürfen diese Bilder auch auf der eigenen Webseite, Instagram oder Facebook veröffentlicht werden?
Sind Personen auf einem Bild abgebildet, tritt neben die Urheberrechte noch ein gänzlich losgelöster neuer Rechtskreis, der zu beachten ist: das Recht am eigenen Bild. Dieses Recht ist eine besondere Ausprägung des grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Jeder Mensch kann frei darüber entscheiden, ob und in welcher Form er in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Geschützt wird dieses Recht in Deutschland im Rahmen des Kunsturhebergesetzes (KUG).
Was regelt das Gesetz?
Nach dem KUG dürfen Bildnisse, also die Darstellung eines Menschen, grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Somit gewährt das Gesetz Schutz gegen die unberechtigte Veröffentlichung, nicht jedoch vor der Fotoaufnahme selbst.
Die Anfertigung eines Fotos kann allerdings schon ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sein, denn auch ohne Veröffentlichung kann das Foto einen Kontrollverlust über das eigene Bildnis darstellen.
Liegt ein Bildnis jedoch nur vor, wenn man eine Porträtaufnahme einer Person macht? Stellen auch Ganzkörperaufnahmen ein Bildnis dar? Zur Beantwortung dieser Fragen gibt es ein entscheidendes Kriterium: Die Erkennbarkeit der abgebildeten Person für Dritte. Wenn also das komplette Gesicht oder wesentliche Gesichtszüge einer Person zu erkennen sind, handelt es sich um ein Bildnis. Aber Vorsicht: Es muss nicht immer das Gesicht zu erkennen sein, damit es sich um ein Bildnis handelt. Es genügt, wenn andere körperliche Merkmale (wie besonders auffällige Haare oder der Körperbau) oder auch sonstige Umstände (etwa mit abgelichteten Gegenständen oder Trikotnummern) es Dritten ermöglichen, die abgebildete Person zu erkennen.
Mit einer Einwilligung ist die vorherige Zustimmung gemeint. Diese Einwilligung ist nicht an eine spezielle Form gebunden, sie kann schriftlich, mündlich oder auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden. Schlüssiges Verhalten ist etwa dann gegeben, wenn eine Person absichtlich mit einem Lächeln vor der Kamera posiert oder entsprechende Handzeichen gibt.
Wichtig ist, dass Klarheit über die Veröffentlichung herrscht z.B. ob diese für Werbezwecke oder im redaktionellen Bereich erfolgt. Dem Abgebildeten müssen Zweck, Art und Umfang der geplanten Verwendung bekannt sein.
Stellt ein Arbeitnehmer sein Bildnis im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung, bspw. für eine Broschüre, muss die Einwilligung zur Veröffentlichung schriftlich vorliegen.
Eine erteilte Einwilligung kann nur unter sehr engen Voraussetzungen widerrufen werden, gleichgültig ob sie konkludent oder ausdrücklich formuliert wurde. Grundsätzlich ist ein Widerruf nur dann möglich, wenn ein wichtiger Grund vorhanden ist, z.B. die gravierende Veränderung von Umständen, welche bei einer erneuten Veröffentlichung des Fotos eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen würde.
Die Ausnahmen vom Recht am eigenen Bild
Es gibt vier Ausnahmen, bei der es keiner Einwilligung des Abgebildeten bedarf. Diese sind für Fotografen sehr wichtig, weil ohne sie im Grunde genommen nie Fotos von Personen ohne deren Einwilligung veröffentlicht werden dürften.
Die Ausnahmen wägen die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten und das Berufsausübungsinteresse der Fotografen gegeneinander ab. Sie dienen zum Schutz der Informations-, Meinungs- und Kunstfreiheit.
Nach dem KUG ist es daher erlaubt,
– Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte
– Personen, die lediglich Beiwerk zur Landschaft oder einer sonstigen Örtlichkeit sind
– Bilder von Versammlungen, Umzügen oder anderen Großereignissen
– Bildnisse im höheren Interesse der Kunst
ohne Zustimmung der betroffenen Personen zu veröffentlichen. Das gilt wiederum nicht, wenn ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird.
Es liegt auf der Hand, dass der Maßstab bei der Bewertung der Zulässigkeit von Aufnahmen von Personen des öffentlichen Lebens ein anderer ist, als bei Privatpersonen. Wer eine politische oder gesellschaftliche Position innehält, wird als Person des öffentlichen Interesses angesehen wie u.a. Politiker, Schauspieler und Sportler. Wenn es der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dient, dürfen diese auch in normalen Alltagssituationen abgelichtet werden. Kein Ereignis der Zeitgeschichte stellt es dar, wenn Personen bei rein privaten Vorgängen und speziell, in ihrem Rückzugsbereich, gezeigt werden.
Seit dem 25. Mai 2018 ist die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im europäischen Raum allerdings anzuwenden. Vor allem bei Fotografen hat diese zu zahlreichen Unsicherheiten geführt.
Die DSGVO-Problematik
Die DSGVO soll in erster Linie Daten schützen. Sie regelt die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten wie z.B. Name, Anschrift, IP-Adresse. Jedes Foto, auf den Personen erkennbar abgebildet sind, stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar. Selbst wenn das Bild ohne den Namen der abgebildeten Person veröffentlicht wird, ist diese dennoch identifizierbar. Nimmt die Kamera noch digitale Metadaten in den Exif-Daten auf, wie etwa Ort oder Uhrzeit, sind das zusätzliche personenbezogene Daten. Es handelt sich sowohl beim Anfertigen der Fotos, als auch bei der Veröffentlichung bzw. Verbreitung um eine Verarbeitung im Sinne der DSGVO.
Die DSGVO greift jedoch nicht immer: Wenn Fotos ausschließlich, ohne jeglichen Bezug zu einer gewerblichen Tätigkeit, im Rahmen von persönlichen oder familiären Tätigkeiten angefertigt werden, findet die DSGVO keine Anwendung. Wer also zu Hause oder auf Familienfeiern Fotos von seinen Angehörigen macht, braucht sich um die DSGVO-Vorschriften keine Gedanken zu machen.
Außerdem sollen Ausnahmen von der geltenden DSGVO für Journalisten und somit auch Fotojournalisten, Künstler, Autoren und Wissenschaftler in den Mitgliedstaaten vorgesehen werden. So soll gewährleistet werden, dass das Datenschutzrecht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang gebracht wird.
DSGVO und KUG: Wann gilt was?
Bislang wurde überwiegend davon ausgegangen, dass das KUG sowie die Rechtsprechung zur Aufnahme von Fotos vor dem Datenschutz Vorrang hatte. Die DSGVO gilt allerdings als eine europäische Verordnung und hat demzufolge Vorrang bei der Anwendung. Eigenständige Regelungen dürfen nur getroffen werden, wenn der europäische Gesetzgeber es erlaubt.
Das bedeutet, dass das Anfertigen und die Veröffentlichung von Fotos (also das Verarbeiten personenbezogener Daten) von identifizierbaren Personen grundsätzlich verboten ist – es sei denn, die Erlaubnis von dem Abgebildeten liegt vor oder es greift eine Ausnahme, auf die man sich als Fotograf berufen kann.
Die wahrscheinlich wichtigste Voraussetzung ist die Einwilligung der betroffenen Person. Ähnlich wie im KUG ist die Einwilligung formlos möglich, sie kann also auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen.
Welche Gesetze gelten nun für Fotografen?
Das KUG kann schließlich weiterhin Anwendung finden für Veröffentlichungen von:
– Medien, Rundfunk und Presse sowie Personen/Unternehmen, die journalistisch tätig sind
– Analog-Fotografie, die auch analog verwaltet wird
– Private Aufnahmen im persönlichen und familiären Kreis
Für alle anderen Bereiche ist die DSGVO anwendbar, also für:
– gewerbliche Fotografen
– Blogger und Influencer, die nicht journalistisch tätig sind
– Behörden
– nicht journalistisch tätige PR-Abteilungen in Unternehmen
Wie ist Street-Photography mit der DSGVO/ dem KUG vereinbar?
Die gute Nachricht ist: Street-Photography gibt es auch nach Inkrafttreten der DSGVO noch. Das KUG findet weiterhin Anwendung und damit ändern sich die Rahmenbedingungen für die Fotografie von Menschen in Deutschland im Wesentlichen nicht, jedenfalls nicht im journalistischen und künstlerischen Bereich.
Allerdings ist die Veröffentlichung von Aufnahmen von Personen in Deutschland durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten und die Veröffentlichung öffentlicher Szenen durch das Recht am eigenen Bild eingeschränkt. Auch bei Straßenfotografie muss also das Persönlichkeitsrecht der fotografierten Person gewahrt werden, sonst kann das Foto teuer werden.
Darf man fremde Kinder fotografieren?
Grundsätzlich ist jeder Mensch – groß wie klein – durch das Recht am eigenen Bild vor Veröffentlichungen geschützt. Zwischen 8 und 17 Jahren gilt die sogenannte Doppelzuständigkeit – sowohl Eltern als auch das Kind müssen mit einer Veröffentlichung einverstanden sein. Davor liegt die Entscheidung bei den Eltern allein. Beim Fotografieren Minderjähriger sollte man trotzdem stets vorsichtig sein und jeglichen sexuellen Bezug unterlassen
Strafrechtliche Konsequenzen beim Fotografieren ohne Einwilligung
Menschen im öffentlichen Raum auf Fotos festzuhalten, birgt Rechtsrisiken, die Sie unbedingt kennen sollten: Neben den Ansprüchen des Abgebildeten auf Unterlassung, Vernichtung oder Schadensersatz, kann sogar eine Strafverfolgung drohen.
Bei Aufnahmen von Personen im höchstpersönlichen Lebensbereich ohne deren Einverständnis werden Persönlichkeitsrechte verletzt – sowohl bei Fotos von Prominenten, als auch bei Aufnahmen von „Normal-Bürgern“. Die Veröffentlichung kompromittierender Bilder, als auch das heimliche Fotografieren oder Filmen von Personen im privaten Bereich ist strafbar.
Fotos, auf denen die Hilflosigkeit der abgebildeten Person zur Schau gestellt wird, gelten ebenfalls als Eingriff in ihren höchstpersönlichen Lebensbereich und können mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet werden, auch wenn sie im öffentlichen Raum fotografiert wurden. Einen Betrunkenen oder ein Unfallopfer auf der Straße zu fotografieren, ist also keine gute Idee.